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METASTADT – SPAZIERGANGSWETTBEWERB 2012
11/09/2012, 13:14
Filed under: spaziergangswettbewerb

Liebe Spaziergängerinnen und Spaziergänger, werte Flanierende,

es ist wieder so weit! Der Sommer neigt sich zu Ende und der diesjährige dritte Spaziergangswettbewerb ermöglicht es euch eure bisherigen Wegstrecken, ergangene Gedanken und erlaufene Erkenntnisse zu reflektieren, beziehungsweise die Auslobung zum Anlass zu nehmen ganz neue Erfahrungen zu machen. Anbei findet ihr die Auslobung, eine Einladung zur Teilnahme und Informationen zu Jury und Stichtag:

SPURENLESEN

„Die Erzählungen über Orte sind Basteleien, Improvisationen, die aus den Trümmern der Welt gebildet werden“ [1]: Dieses Jahr geht es in Anlehnung an den Text „Gehen in der Stadt“ von Michel de Certeau um das Spurenlesen: Eine Stadt ist ein Konstrukt, das sich aus unendlich vielen eigenen, angeeigneten und fremden Erinnerungs- und Wahrnehmungsfragmenten zusammensetzt. Diese Fragmente hinterlassen Spuren, in der Stadt, aber auch in der/dem Gehenden. Manche entstehen erst durch den Erfahrungsschatz, die Neugier und das Wissen der Person, die den Raum durchschreitet. Mit jeder Person, die den Weg säumt, teilt, quert, reichert sich dieser Erinnerungsschatz ein Stück weiter an; Konstellationen und Geschichten entstehen.

Das eigene Innere verbindet sich in Gedanken mit dem fremden Äußeren und sucht nach Entsprechungen, aus denen sich eine räumliche Identität formt. “Verblüffend dabei ist, daß lebendig wahrgenommene Orte so etwas wie die Gegenwart von Abwesendem sind. Das, was sich zeigt, bezeichnet, was nicht mehr ist: „Sehen Sie, hier gab es …“, aber es ist nicht mehr zu sehen. Die Demonstrativpronomen sprechen die unsichtbaren Identitäten des Sichtbaren aus: der Ort wird gerade dadurch definiert, daß er aus den Reihen dieser Verschiebungen und Wechselwirkungen zwischen den zerstückelten Schichten, aus denen er zusammengesetzt ist, gebildet wird[…].“ [2] Ort für Ort reiht sich auf diese Weise aneinander und mit ihnen unzählige Geschichten.

Welche Erinnerung oder Geschichte bringt Euch in Bewegung, welchem Impuls folgt Ihr durch die Stadt und wie lassen sich diese, Eure persönlichen Erinnerungswege nachzeichnen; was ist des Erinnerns würdig und wie soll mit den Erinnerungen umgegangen werden – chiffrieren, konservieren, gedenken, vergessen? „Die Zersplitterung der Erzählungen ist bereits ein Hinweis auf die Zersplitterung des Erinnerungswürdigen. Das Gedächtnis ist in der Tat ein Anti-Museum: es ist nicht lokalisierbar.“ [3]

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Mit diesem Thema wollen wir euch anregen sich auf den Weg zu begeben und der Stadt zu öffnen. Erfahrungen mit und in der Stadt zu machen, persönliche Wege zu erschließen und den Spaziergang unter den eigenen Füßen – getreu dem Motto „der Weg entsteht beim Gehen“ – zu finden. Der Zufall spielt hier eine große Rolle, ebenso wie die subjektive Wahrnehmung: “Je mächtiger das Begehren ist, die Stadt zu sehen und zu begreifen, desto größer ist die Intensität ihrer Zeichen.” [4]  Diese Zeichen gilt es zu finden, sie in einen Zusammenhang zu bringen und etwas persönliches daraus abzuleiten, seien es Geschichten, Erinnerungen, eine Bemerkung, ein Bild, eine Begegnung oder eine Erkenntnis. Was sagt die Stadt, welche Überaschungen hält sie für uns bereit, was wird sichtbar, das bislang verborgen war? Folgt eurer Neugier und eurem Interesse und lasst uns und andere an euren Erfahrungen teilhaben.


[1] de Certeau, Michel: Die Kunst des Handelns, Merve, Berlin, 1988, S.203.
[2] de Certeau, Michel: Die Kunst des Handelns, Merve, Berlin, 1988, S.205. Siehe auch Döblin, Alfred: Das Gesicht der Stadt – Geleitwort zu Bucovich, Mario von: BERLIN, Albertus, Berlin, 1928.
[3] ebenda: S.205.
[4] Jeudy, Henri-Pierre: Stadterfahrungen, Merve, Berlin, 1998.

Teilnahmebedingungen: Der Wettbewerb richtet sich primär an Privatpersonen die nicht-kommerziell und nicht-professionell Spazieren oder Flanieren. Jede/r die/der Freude an Entdeckungen hat, die sich nur durch die Tätigkeit des aufmerksamen Spazierens erschließen lassen ist herzlich eingeladen am Wettbewerb teilzunehmen. Wer sich gerne inspirieren lassen möchte kann sich hier die Siegerbeiträge des letzten und hier des vorletzten Jahres anschauen.

Einreichung: Wir freuen uns auf Texte, die nicht länger als ein bis zwei Din A4 Seiten lang sein sollten. Wer möchte kann gerne zusätzlich einen Wegeverlaufsplan oder Photos anfügen. Spaziergangsartefakte können mehrere Seiten umfassen, sollen aber als ein kompaktes PDF eingereicht werden. Dieses Dokument schickt ihr uns per Mail an die Adresse stadtstadtstadt bei web de (bei größeren Daten bitte z.b. auf wetransfer hochladen und den Download-Link an uns schicken).

Einsendeschluss ist der 18. November 2012. Die Jury tritt im Lauf des November/Dezember zusammen und fällt eine Entscheidung. Die Gewinner werden bis spätestens Mitte Januar ermittelt und persönlich benachrichtigt.

Jurierung: Die Auswahl der Siegerspaziergänge wird von einer unabhängigen Jury getätigt. Mitglieder sind Eva Maria Epple („Berlin-FlaneurInnen“ ehemals Bürgerprojekt „20 grüne Hauptwege Berlin“), Werner Pregler (LeoParts Nürnberg), Tina Saum (flanerie Stuttgart) und Karsten Michael Drohsel (mikromakro und urbanophil Berlin). Die Jury legt vor der Auswahlsitzung ihre Kriterien fest, eine Begründung der Juryentscheidung erfolgt nicht. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.

Prämierung: Es werden drei Spaziergänge als Siegerbeiträge ausgewählt. Sofern diese in Berlin durchführbar sind, können diese zusammen mit den letzten Siegerspaziergängen am für das kommende Frühjahr geplanten Spaziergangswochenende begangen werden. Es sind aber auch ausdrücklich Spaziergänge aus anderen Städten erwünscht, wobei die gemeinsame Realisierung dann nur nach Absprache erfolgen kann.

Wir würden uns sehr freuen, wenn ihr den Wettbewerb weiterreichen und/oder über eure Blogs und Verteiler posten könntet. Alle Informationen findet ihr unter www.metastadt.wordpress.com Für Rückfragen stehen wir selbstverständlich gerne unter stadtstadtstadt bei web de zur Verfügung.

Herzliche Grüße

Karsten Michael Drohsel, Eva Maria Epple, Werner Pregler, Tina Saum


1 Kommentar so far
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Ich bin sehr gespannt auf das „Spaziergangswochenende“.

Kommentar von Bertram Weisshaar




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